Gehe den Weg. Gehe weg, weg vom Ego – hin zum Sein.

Unser Geist kann auf zwei Arten funktionieren: mit „narrativem Fokus“ oder „erfahrungsbasiertem Fokus“. Die Grundeinstellung unseres Geistes aber ist der narrative Fokus, das heisst: wir erzählen uns permanent eine oder mehrere Geschichten ÜBER unsere momentanen Erfahrungen. Die eigentlichen momentanen Erfahrungen selbst können wir kaum wirklich wahrnehmen, so sehr sind wir mit der Geschichte darüber beschäftigt. Wir leben nicht unser Leben, wir leben in einer verworrenen Geschichte ÜBER unser Leben.

Der narrative Fokus lebt sich in uns aus und er tut dies in Form eines ununterbrochenen Gedankenflusses, der fast nichts mit konzentriertem, zielgerichteten Denken zu tun hat. Er besteht aus ewigen Wiederholungen, Tagträumen, undeutlichen Wünschen und Ängsten, Fragmenten, Halbsätzen, Erinnerungen, magischem Gemurmel und sonstigen Gedankenabfall. Dieser narrative Gedankenabfall hat allerdings weit mehr Macht über uns als wir annehmen: er produziert unser Selbstbild, unser „Ego“, eine Konstruktion der Gedanken, die es eigentlich nicht gibt.

Dieses „Ego“ weiß genau, dass es eine äußerst labile Gedankenkonstruktion darstellt, die jeden Augenblick zusammen brechen kann. Deshalb hat es Angst, Angst vor dem Zusammenbruch, Angst vor der Demontage durch die Realität. Daher haben nicht selten wir selbst Angst, obwohl wir nicht so recht wissen, wovor eigentlich. Es ist das Unwohlsein einer verrückten Gedankenkonstruktion in uns, das wir irrtümlich für das Unwohlsein von uns selbst halten. Ein tragisches Missverständnis, aus dem viele Menschen ihr Leben lang nicht heraus finden.

Es gibt einen Ausweg, genau einen: den erfahrungsbasierten Fokus, den direkten Zugang zur Realität. Achtsamkeit, achtsames Gehen zum Beispiel, ist der Schlüssel. Wir erkennen so die Realität hinter den Gedanken, die Welt, das Leben, in seiner Schönheit, in seinen fantastischen Möglichkeiten. Und all die latente Angst erscheint auf einmal als krank und unnötig. Das ist der Weg. Das ist der Weg weg vom geisteskranken Ego in uns und hin zur Realität, zum Sein, zum Leben. Dieser Weg verlangt anfangs immer wieder ein wenig Anstrengung von uns, denn das Ego (die unkontrollierten Gedanken in uns) will nicht demontiert werden und es wehrt sich – wie üblich mit Gedanken – gegen diesen Ausweg, gegen Achtsamkeit, gegen die Realität. Aber kaum haben wir diesen Weg eingeschlagen, so wird er zu einem echten Genuss, zu einer tiefen Freude, zu einem unverzichtbaren Teil unseres Tages, gegen das alles andere grau und hilflos erscheint.

Deshalb: mach dich auf den Weg. Und wenn du schon auf dem Weg bist, dann geh ihn noch ein wenig häufiger und entschlossener. Es ist der Weg in die Freude, was sollte dagegen sprechen?